Route 1

Vor dem Hotel Wolgograd steht seit 2006 das Alexander-Newski-Denkmal (Pamjatnik Alexandru Newskomu). Das Bronzedenkmal, ein Werk des Wolgograder Bildhauers Sergej Schtscherbakow, zeigt den berühmten russischen Fürsten in voller Kriegsmontur. Von der Fußsohle bis zur Fahnenspitze misst das Monument 4,8 m, es wiegt 1,5 t. Newski scheint zügig voranzuschreiten, in der rechten Hand trägt er eine Truppenfahne. Darauf ist eine Ikone abgebildet, das Christusbild von Edessa. Das Denkmal erinnert daran, dass Wolgograd seit 2006 die zweite russische Stadt nach Sankt Petersburg ist, die Alexander Newski zu ihrem Schutzpatron erklärt hat. Der Fürst war der Erste, der für den Bau einer Festung an der Wolga plädierte. Aus der Festungsanlage entwickelte sich später die Stadt Zarizyn.

Das Denkmal auf dem Platz der Gefallenen Kämpfer ist übrigens nicht die einzige Sehenswürdigkeit in der Stadt, die Newski zu Ehren erbaut wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde auf dem Platz die Alexander-Newski-Kathedrale gebaut. Im Jahr 1932, zur Zeit der Kirchenverfolgung, wurde sie jedoch gesprengt. Heute erinnert nur noch die kleine Alexander-Newski-Kapelle (an der Ecke Alleja Gerojew-Prospekt Lenina) an die ehemals größte Kirche im gesamten Unteren Wolgagebiet. Der Wiederaufbau ist allerdings geplant, eigens zu diesem Zweck wurde der Platz der Gefallenen Kämpfer jahrzehntelang freigehalten. Wenn die Kirche fertig ist, soll das Denkmal direkt daneben aufgestellt werden.

Hinter dem Denkmal erhebt sich unübersehbar der Prachtbau des Neuen Experimentaltheaters (Nowy experimentalny teatr), kurz NET genannt. Nicht nur wegen der Theaterstücke, sondern allein schon wegen der majestätischen Architektur und prunkvollen Innenausstattung lohnt sich ein Besuch. Das im klassischen Stil erbaute Gebäude beherbergte zu Zarizyner Zeiten das Haus der Wissenschaft und Kunst. 1918 wurde hier eine Spielstätte für Dramen-, Operetten- und Ballettaufführungen gegründet, die ab 1929 den Namen Gorki-Theater trug. 1989 wurde das Theater schließlich völlig umgestaltet und in Neues Experimentaltheater umbenannt.

Vorbei am Hotel Wolgograd geht es nun zum Brunnen der Verliebten (Fontan wljubljonnych). Er wurde 2005 gegenüber dem Bühneneingang des Neuen Experimentaltheaters auf der Uliza Mira errichtet. Die Bronzeskulptur in der Mitte stellt ein nacktes Paar dar, das einander an den Händen hält und beinahe schwebend im Kreis tanzt. Das Werk stammt vom Florentiner Bildhauer Silvio Bellucci und ist ein Geschenk des ehemaligen Wolgograder Bürgermeisters Jewgeni Ischtschenko an die Stadt. Der Springbrunnen ist ein beliebter Treffpunkt für Liebespärchen, und es hat schon Tradition, dass Brautpaare nach dem Standesamt hierher pilgern. Im Volksmund wird der Brunnen daher auch „Romeo-und-Julia-Denkmal“ genannt.

Nach dem Brunnen biegen wir ein Stück weiter rechts in die Uliza Lenina ein und stehen vor der Schule Nr. 83 (Schkola Nr. 83). Das Gebäude aus dem Jahr 1875 ist eins der ältesten in Wolgograd. Ursprünglich war es zweistöckig und diente den Zarizyner Kaufmannsbrüdern Serebrjakow als Gästehaus. Ab 1908 war hier ein Mädchengymnasium untergebracht. Die Schule hatte einen ausgezeichneten Ruf, allerdings konnten nicht alle das Schulgeld (55 Rubel für die Bewohner von Zarizyn und 75 Rubel für alle übrigen) aufbringen. Nicht selten wurden daher per Zeitungsannonce Sammelaktionen für die Mädchen durchgeführt, die kein Geld für das Gymnasium hatten. Als die Sowjets nach 1919 alle Gymnasien abschafften, wurde auch diese Schule geschlossen. Anfang der 30er Jahre wurde das Gebäude zur Verwaltungsbehörde umfunktioniert und um ein Stockwerk erweitert (man kann die verschiedenen Epochen gut an der Fassade erkennen, das letzte Stockwerk unterscheidet sich deutlich von den anderen beiden). Als eins der wenigen Gebäude hat es den 2. Weltkrieg überstanden und ist seit 1961 die Schule Nr. 83.

Gleich neben der Schule beginnt der Stadtpark (Gorodskoi park). Er wird liebevoll Gorsad (eine Abkürzung für Gorodskoi sad, „Stadtgarten“) genannt und ist der Lieblingspark vieler Wolgograder. Hier finden viele Konzerte, Feste und andere Veranstaltungen statt, im Winter auch ein Russisch-Deutscher Weihnachtsmarkt. In der warmen Jahreszeit können die Kleinen hier Karussell fahren oder auf Ponys reiten. Die berühmteste Attraktion ist wohl das 27,5 m hohe Riesenrad. Aus der Gondel hat man einen schönen Panoramablick über die Stadt. Viele Cafés und Bänke laden zum Verweilen ein.

Ein paar Schritte links vom Riesenrad steht das Straßenbahn-Denkmal (Pamjatnik tramwaju). Es wurde 2013 zum 100-jährigen Jubiläum des Straßenbahnverkehrs in Wolgograd eingeweiht. Als Grundlage diente der Straßenbahnwagen MC-4, der im Jahr 1932 gebaut und aus Sankt Petersburg nach Wolgograd geliefert wurde. 2010 wurde der Wagen komplett restauriert, oder eher: rekonstruiert, denn die meisten Bauteile mussten ausgetauscht werden. Die erste Straßenbahnlinie der Stadt wurde bereits im Jahr 1913 in Betrieb genommen. Zarizyn war die erste russische Kreisstadt, die sich dieser neuen technischen Errungenschaft rühmen konnte, und war damit vielen größeren Städten weit voraus. Die Einzigartigkeit bestand zudem darin, dass Zarizyns Straßenbahn eine russische Produktion war, während in den meisten anderen Städten Straßenbahnen aus Belgien fuhren. Die erste, insgesamt 10 km lange Straßenbahnlinie hatte 22 Haltestellen. Der Fahrpreis betrug fünf Kopeken. Die Personenbeförderung musste nur zweimal unterbrochen werden: während des russischen Bürgerkriegs und im 2. Weltkrieg.

Der Stadtpark ist vor allem im Frühling und Sommer einen Besuch wert. Neben der Bühne im Park findet man den Garten der Liebe (Sad ljubwi), für die Wolgograder einer der romantischsten Orte der Stadt. Passenderweise wurde er am 8. Juli 2005, dem „Tag der Familie, der Liebe und der Treue“, eröffnet. Frischverheiratete Paare pilgern nach dem Besuch des Standesamtes gern hierhin. Sie lassen sich auf der „Bank der Verliebten“ (Skamja wljubljonych) fotografieren oder hängen zum Zeichen der Treue Schlösser mit ihren eingravierten Namen an die „Brücke der Liebe“ (Mostik ljubwi).

Hinter dem Garten der Liebe begrüßt Sie im Japanischen Garten (Japonski sadik) ein Stückchen Fernost. Der Park ist ein Geschenk von Wolgograds Partnerstadt Hiroshima. Genießen Sie den Anblick der Miniaturbrücken oder entspannen Sie sich auf einer der niedrigen Holzbänke. Am Rande des Gartens wurde übrigens 2002 das Café Sakura eröffnet, das erste japanische Café in Wolgograd.

Dort, wo der Park an das Neue Experimentaltheater grenzt, liegt der Komsomolgarten (Komsomolski sad). Er besteht schon seit 1906. Hier steht unter anderem die Kapelle der Gottesmutter von Urjupinsk (Tschasownja Urjupinskoj Boshjej Materi), in der an Sonn- und Feiertagen Gottesdienste stattfinden.

Am Seitenausgang des NET, das Gesicht dem Komsomolgarten zugewandt, steht das Gogol-Denkmal (Pamjatnik Nikolaju Gogolju). Es ist das älteste Denkmal der Stadt und wurde 1910 zum 100. Geburtstag des berühmten russischen Schriftstellers Nikolai Gogol (1809-1852) enthüllt. Im Laufe der Zeit zog die 1,3 m hohe Bronzebüste mehrfach um: Ursprünglich stand sie auf dem heutigen Platz der Gefallenen Kämpfer vor der Alexander-Newski-Kathedrale, die sich damals noch im Bau befand. Als die Kathedrale in den 1930er Jahren abgerissen wurde, stellte man die Büste stattdessen in den Komsomolgarten. Bei der Schlacht um Stalingrad wurde das Denkmal schwer beschädigt – noch heute zeigt es Spuren von Kugeln und Granatsplittern. Nach der Schlacht fand man das Gogol-Denkmal zwischen den Trümmern und stellte es wieder an seinen alten Platz, diesmal auf einem neuen Podest aus rosafarbenem Granit.

Auf der gegenüberliegenden Parkseite steht ein eindrucksvoller roter Ziegelsteinbau, dessen reich verzierte Fassade sofort ins Auge fällt – die Alte Feuerwache. Der 45 m hohe Feuerwachturm (Posharnaja Kalantscha) wird „Der flammende Hüter“ (Strash plamenny) genannt. Das Gebäude ist eine originalgetreue Rekonstruktion der ursprünglichen Feuerwache, die im Jahr 1897 in Betrieb genommen und in der Schlacht um Stalingrad zerstört wurde. Heute sieht der Turm vor dem Hintergrund der ihn umgebenden Hochhäuser wie eine Miniatur aus, doch zu Zarizyner Zeiten war er ein regelrechter Wolkenkratzer, der alle übrigen Gebäude in der Stadt überragte. Neben dem Wachturm beherbergte die Feuerwache sieben Spritzenhäuser, einen Pferdestall, Unterkünfte für die Feuerwehrleute, eine Bibliothek und eine Pfandleihe. Der Feuerwachturm war eine der ersten städtischen Einrichtungen, die mit Zentralheizung und einer unabhängigen Wasserversorgung ausgestattet waren.

Von der Feuerwache geht es die Uliza Kommunistitscheskaja entlang bis zum Hauptbahnhof Wolgograd I (Zentralny shelesnodoroshny woksal). Hier treffen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Das ursprüngliche Bahnhofsgebäude entstand 1870 nach der Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnstrecke. Heftige Bombardements während der Schlacht um Stalingrad richteten allerdings so schwere Schäden an, dass das Gebäude im Jahr 1954 durch das heutige ersetzt werden musste. Seit 1997 gilt es als Architekturdenkmal. Der Uhrenturm ragt 67 m in die Höhe und wird von einem goldenen Stern gekrönt. Eine breite Granittreppe führt hinauf zum Haupteingang. Rechts und links wird sie flankiert von Skulpturengruppen, die Kämpfer aus dem Bürgerkrieg und Verteidiger Stalingrads zeigen. Über dem Haupteingang befindet sich die symbolische Skulptur „Mutter Heimat schmückt die Sieger mit Lorbeerkränzen“. Daneben sieht man den Rotbannerorden von Stalingrad und die Medaille „Für die Verteidigung Stalingrads“. Neben der Eingangstür ist eine Gedenktafel für die Opfer des Terroranschlags vom 29. Deyember 2013 angebracht. Werfen Sie unbedingt auch einen Blick in die lichtdurchflutete Bahnhofshalle, die mit Deckenmalereien und weißem Marmor eindrucksvoll gestaltet ist. Vom Bahnhof Wolgograd I fahren Züge nach Zentral- und Südrussland sowie ins Ausland. Das Fahrgäste-Aufkommen liegt bei täglich etwa 3.500 An- und Abreisenden.

Auf dem Bahnhofsvorplatz steht der Brunnen der tanzenden Kinder (Fontan „Tanzujuschtschije deti“). Die 1,80 m hohe Skulptur ist ein Symbol der Stadt Wolgograd. Die ungewöhnliche Komposition zeigt eine Szene aus einem Märchen des berühmten russischen Dichters, Kinderbuchautors, Übersetzers und Literaturwissenschaftlers Kornej Tschukowski: Drei Mädchen und drei Jungen tanzen um ein drei Meter langes Krokodil herum, um den Brunnen sitzen sechs Frösche, aus deren Mäulern Wasser sprudelt.

Seit 1930 stand an dieser Stelle ein identischer Brunnen, der jedoch 1942 bei deutschen Luftangriffen auf das Bahnhofsgebäude schwer beschädigt wurde. Er ist auf vielen Fotos und in Videoaufnahmen über das zerstörte Stalingrad zu sehen. Als die Stadt in den 1950er Jahren wieder aufgebaut wurde, demontierte man den Brunnen, weil er angeblich keinen künstlerischen Wert besaß. Doch 2013 wurde eine Kopie der ursprünglichen Komposition enthüllt. Der Bildhauer war Alexander Burganow, ein Schüler von Romuald Iodko, der den ersten Brunnen entwarf. Eine weitere Replik des Brunnens ist übrigens auf dem Gelände des Panorama-Museums zu sehen. Sie zeigt den Brunnen so, wie er nach dem Krieg aussah – geschwärzt und mit Einschusslöchern.

Wir überqueren nun die Straße und gelangen zum Historischen Museum (Memorialno-istoritscheski musej). Es ist das einzige Museum in ganz Südrussland, das den Ereignissen des russischen Bürgerkriegs (1917-1920) gewidmet ist. Das genaue Baujahr des Gebäudes ist unbekannt, doch vermutlich stammt es aus dem Jahr 1896. Bis zur Oktoberrevolution gehörte es den Repnikows, alteingesessenen Zarizyner Kaufleuten, die als Kunstmäzene bekannt waren.

Am Museum vorbei geht es auf der Uliza Gogolja zurück zum Platz der Gefallenen Kämpfer. Vor dem Hotel Intourist biegen wir links in die Uliza Mira ein. Wer möchte, kann einen kurzen Abstecher in den Innenhof (links vom Hotel) machen. Dort ist der Eingang zum Museum Pamjat. Ein paar Schritte weiter, am Eingang des Hotels Stary Stalingrad steht ein ungewöhnliches Klempner-Denkmal.

Infokasten: Das Klempner-Denkmal (Pamjatnik santechniku)

Es zeigt einen Klempner, der aus einem Abwasserschacht hervorschaut. Er trägt einen Overall und hat einen Schraubenschlüssel in der Tasche. Lächelnd und mit ausgebreiteten Armen schaut er in den Himmel. Er wird von einem Brunnen aus Steinen umgeben, neben ihm sind eine Fliegerbombe und fünf goldene Sterne zu sehen. Die Aussage und der Künstler sind unbekannt. Man weiß nur, dass als Prototyp dieser Skulptur Waleri Kriwzow diente, der ehemalige Besitzer des Kaufhauses Univermag. Er hat das Denkmal der Stadt im Jahr 2009 geschenkt